Irgendwann legte er das Buch weg.
Es fand einen Platz zwischen dem Arkadium, einem recht schweren Buch für arkane Künste und dem dicken Wälzer, der die Geschichte der Drow abhandelte.
Mehr Bücher hatte er noch nicht in seinem Regal.
Ein wenig skeptisch sah er sich den schwarzen schriftlosen Buchrücken des Ratgebers an.
Hilfreich war es, ja...man lernte viel aus den Zeichnungen und Erklärungen, aber irgendwie blieben die Zweifel.
Sein Blick glitt zum Fenster. Langsam erhob er sich vom Sessel und ging hinüber.
Vom Fenster aus konnte man hinunter auf die Stadt sehen, die fahlen und matten Lichter...
May seufzte leise und dachte an Shyntlara...
Wahrscheinlich hatte sie gar nicht vor, ihn zu sich zu rufen, warum auch.
Er hatte weder eine glanzvolle Tat vollbracht noch sich irgendwie anders hervorgehoben.
May war sich plötzlich ziemlich sicher, dass er ihren Blick nur falsch interpretiert hatte.
Und verfluchte sich innerlich für die Anmassung, dass er tatsächlich gedacht hatte, sie würde sich je herablassen mit ihm überhaupt so etwas in Erwägung zu ziehen.
Während er die Lichter ansah und sein Blick über das Dunkel dort unten strich, versuchte er zu ergründen, warum er sowas überhaupt gedacht hatte.
Sie war die schönste Frau, die er je erblicken durfte...und die Ilharess.
Undenkbar, dass sie ihn auswählen würde. Es gab sicher genug andere, die sie haben könnte...
Warum also sollte sie ihn nehmen wollen...
May konnte nichts dagegen tun, er dachte permanent an sie...ihr Gesicht, ihre Augen...
er konnte fast ihre Stimme hören, so sehr war er in Gedanken stets bei ihr.
Und er wusste plötzlich mehr als genau, warum er vielleicht mehr in ihren Blick interpretiert hatte, als da überhaupt gewesen war.
Weil er sich wünschte, ihr näher zu sein...
Weil er dieses Gefühl hatte, dieses Ziehen in der Brust, jedesmal wenn er sie erblickte oder auch nur an sie dachte.
Weil in ihm diese Wärme aufstieg, wenn er sie sah...
Durfte er solche Gefühle haben? Mit Sicherheit nicht...zumindest durfte er sowas nicht zeigen.
Betroffen stellte er fest, dass er für einen kurzen Moment ernsthaft gedacht hatte, dass sie vielleicht seine Emotionen erwidern würde...oder zumindest, dass er sich wünschte, sie täte es.
May schüttelte den Kopf...wie konnte er sowas denken...sich anmassen so etwas über sie zu denken...
Als ob sie je...ihn...nein.
Nein.
Undenkbar.
Wie kam er nur auf solch unmögliche Dinge?
Niemals würde so etwas passieren und er musste dringend aufhören an solche Sachen zu denken.
Sich auf andere, viel wichtigere Dinge konzentrieren.
Der Schutz des Hauses...
May nickte leicht und kehrte dem Fenster den Rücken zu.
Dann kniete er sich vor den kleinen Llothschrein neben dem Bett und betete...bat Lloth um Vergebung für seine Anmassung, für seine unwürdigen Gedanken und flehte sie inständig an, dass sein Geist und sein Herz sich von diesen Gefühlen befreien würde.
Dass er sich auf das konzentrieren könne, mit dem er Shyntlara wirklich dienen konnte...
Lange betete er, dann erhob er sich und brachte den Ratgeber zurück in die Bibliothek.